Montag abend war Graham Anderson zu Gast beim Imkertreff und hat einen der gerade viel beworbenen Flow Hives zur Anschauung mitgebracht. Die Idee hinter dem Flow Hive ist, in den Honigraum Plastikwaben zu hängen, die dann bequem von außen angezapft werden können. Dadurch soll man Honig ernten können, ohne den Bienenstock auch nur zu öffnen. In diesem Video stellen de Erfinder das System vor:
Graham ist seit 45 Jahren Imker, und so sind wir in Kontakt gekommen. Er wohnt seit zwei Jahren in Berlin, und als ich erfahren haben dass es sein Bruder und sein Neffe sind, die in den vergangenen 10 Jahren an der Idee des Flow Hive feilten, habe ich ihn direkt gebeten zum Kreuzberger Imkertreff zu kommen. In einer Stunde hat er das Prinzip vorgestellt, einen Flow Hive zur Anschauung mitgebracht und unsere vielen Fragen beantwortet.
Die lange Entwicklungszeit des Flow Hive merkt man an zahlreichen kleinen und durchdachten Details. Die Zellen werden aus hunderten aneinander gelegten Kunststoffplatten gebildet, die in der Tiefe etwa einen Millimeter gegeneinander versetzt sind. Dadurch bauen die Bienen noch etwas Wachs an, bevor sie die Zellen mit Honig füllen und verdeckeln. Einmal verdeckelt, kann man durch einen eingeführten Metallhebel die Lage jeder zweiten der Kunststoffplatten in der Senkrechten um zwei Millimeter verschieben. Dadurch öffnet sich ein Kanal von oben bis nach unten, so dass der Honig nach unten abfließt. Die Zelldeckel bleiben dabei geschlossen, so dass die Bienen kaum mitbekommen sollen dass man den Honig erntet. In 10-20 Minuten sind die Waben leer und man dreht die Wabenteile wieder in die Ausgangsstellung. Recht schnell merken die Bienen dass die Zellen leer sind und beginnen, sie zu öffnen und wieder mit Honig zu füllen.
Das System ist wirklich faszinierend, und ich kann mir vorstellen dass man damit sehr gut arbeiten kann. Ob die Erfindung in Deutschland angenommen werden wird, hängt sicherlich nicht nur vom Preis, sondern vor allem sehr stark davon ab ob sich die hiesigen Imker so umfangreiche Plastikteile in ihren Bienenstöcken vorstellen können. Die Plastikwaben sind zwar aus lebensmittelechtem Polypropylen (PP) wie auch die Hobbocks, die bekannten 40kg-Honigeimer. Doch bishlang sind größere Plastikteile in Bienenstöcken für die meisten Imker*innen ein No-Go. International sieht das offensichtlich anders aus. Im Moment läuft eine Crowdfunding-Kampagne der Erfinder, mit der die erste Serienfertigung des Flow Hive finanziert werden soll. Anvisiert waren US$ 70.000 als Ziel, doch bereits jetzt sind sage und schreibe US$ 6,7 Millionen zusammen gekommen.
Doch auch das Prinzip an sich hat schon heftige Kritik hervorgerufen. Erhard Maria Klein vom Verein Mellifera e.V. beispielsweise schreibt:
Das Flow Hive bietet eine Lösung für ein Problem, das ein Imker gar nicht hat. Die Honigernte gehört zu den einfachsten Sachen bei der Bienenhaltung. Das ist eine befriedigende, sinnliche Arbeit, die man gut mit der ganzen Familie einschließlich der Kinder machen kann.
Auch beim Kreuzberger Imkertreff wurden Zweifel an Sinn und Notwendigkeit des System geäußert. Auf der anderen Seite ist die Honigernte nicht nur ein durchaus erheblicher Aufwand und großer Eingriff in den Bienenstock, sondern dazu auch körperlich anstrengend, da man ständig 25-35kg schwere Honigräume stemmen muss. Wer die Waben ausschleudert muss mehrere hundert Euro in eine Schleuder investieren oder sich eine mit anderen Imker*innen teilen, was Transportaufwand bedeutet. Die ausgeschleuderten Waben müssen den Bienen wieder aufgesetzt werden, was einen weiteren Gang zum Bienenstand bedeutet.
Unter dem Strich wussten wir nicht zu sagen, ob wir nun eine imkerliche Revolution ähnlich der Erfindung des Rähmchens und der Magazinimkerei vor uns hatten, oder „nur“ ein nettes Spielzeug das einige Imker*innen zwar ausprobieren werden, das sich aber kaum in der Breite durchsetzen dürfte. Doch die Gelegenheit das System einmal aus der Nähe zu sehen war schon für sich ein Erlebnis.